Anlässlich des vierjährigen Jubiläums des übergemeindlichen Projekts Café Contact in Bad Godesberg haben die Unterstützerkreise der Erlöser-, Thomas- und Johannes-Kirchengemeinde im Herbst 2019 gefeiert, inne gehalten, zurückgeschaut auf die bisherige Arbeit und zusammen überlegt, wie die Arbeit weitergehen kann/soll. Die Syrienhilfe der Johannes-Kirchengemeinde machte den Auftakt und hatte bereits den langjährigen und nun positiv ausgegangenen Streit der Verpflichtungsgeber sowie das fünf-jährige Bestehen der Initiative gefeiert und zusammen mit vielen Gästen im Rahmen einer Zukunftswerkstatt die nächsten Weichen gestellt. Frau Manemann, die Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn und Hannah Huser, Flüchltingsberaterin beim Kölner Flüchtlingsrat e.V. waren ins Matthias Claudius Gemeindehaus eingeladen, um den Ehrenamtlern Impulse zu geben und mit ihnen zu diskutieren.
In der Erlöser-Kirchengemeinde trafen sich wenige Wochen später die Ehrenamtlichen im historischen Gemeindesaal. Hier wurde emotional und bewegend zurückgeschaut auf Erlebtes, Gelungenes und Berührendes und für all diejenigen bewegenden Schicksale und Geschichten Lichter angezündet. Im Anschluss wurde ebenfalls Raum gegeben miteinander zu überlegen, wie die Arbeit aus Sicht der Ehrenamtler weitergehen kann und soll.
Im Oktober feierte ebenfalls der Unterstützerkreis der Christus-Kirche ihr vier-jähriges Jubiläum, zunächst im Rahmen eines Gottesdienstes und eine Woche später im Haus der Familie. Der Bezirksbürgermeister Herr Jansen war der Einladung gefolgt und war beeindruckt von den Erfolgsgeschichten von denen Geflüchtete und Ehrenamtliche berichteten.
Das well-come café der Paulus-Kirche organisierte im November einen Rückblick auf die vergangenen vier Jahre in der Flüchtlingshilfe. Unter dem Motto „Vier Jahre – Engagement braucht vier K’s: Kommunikation, Koordination, Kreativität und Kooperation“ wurde die Zusammenarbeit zwischen Hauptamt und der Zielgruppe, zwischen Politik, Verwaltung und persönlicher Motivation diskutiert und reflektiert. Unter Einbezug der Perspektiven von Norbert Häberlin, Supervisor und Praxisberater und ehemaliger Ehrenamtler, Coletta Manemann, Integrationsbeauftragte und mir, Jessica Hübner-Fekiri, evangelische Flüchtlingskoordinatorin, widmete sich die Initiative ihren Höhen und Tiefen und schließlich Perspektiven.
Seit März 2015 bewegt auch mich die Godesberger Flüchtlingsarbeit. Ein Jahr lang habe ich zunächst den Runden Tisch Flüchtlingshilfe koordiniert. Diese halbe Stelle wurde gemeinsam von den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden getragen. Ich erinnere mich an zahlreiche Gespräche und Begegnungen mit Geflüchteten und Bürgerinnen und Bürgern Bad Godesbergs im Zuge der Eröffnung der Flüchtlingsunterkünfte in Bad Godesberg (Michaelsschule, Rheinallee, Riemenschneiderstraße, sowie dem Zuzug vieler Familien in städtische Wohnungen in Bad Godesberg). Ende 2015 und Anfang 2016 kamen zeitweise Hunderte von Menschen wöchentlich nach Bonn und Bad Godesberg, um Schutz zu suchen. Menschen, die nicht nur eine Unterbringung, sondern viel mehr eine Aufnahme in unserer Gesellschaft, Nachbarschaft, Herzlichkeit und Anschluss gesucht haben. Mein Telefon stand nicht still. Ich kam nicht immer im Rahmen meiner Arbeitszeit dazu meine Arbeit für das Netzwerk „Runder Tisch“ zu verrichten. Meistens war ich damit beschäftigt mit Bürgerinnen und Bürgern Bad Godesbergs über die Situation Geflüchteter und über die angebotene Hilfsbereitschaft zu sprechen und diese Hilfsbereitschaft angemessen einzubetten. Zum damaligen Zeitpunkt gab es keine niedrigschwelligen Anlaufstellen für Geflüchtete und Ehrenamtliche in den Kirchengemeinden. Es gab keine Orte, die Vernetzung, gelebte Nächstenliebe und Gespräche zwischen Nachbarinnen und Nachbarn und Geflüchteten ermöglicht haben.
Imke Schauhoff konnte als damalige Konventsratsvorsitzende gemeinsam mit Regina Uhrig als Sprecherin des Beirats der ev. Flüchtlingshilfe im Spätsommer 2015 jede der vier evang. Kirchengemeinden dafür gewinnen Cafe Contact in den Räumen der Kirchengemeinden zu organisieren. Orte, an denen sich Geflüchtete und Ehrenamtliche austauschen, Hilfe anbieten und suchen, Gespräche finden und sich schlicht und ergreifend einfach nur treffen können. Jeder der Unterstützerkreise hat sich den zunächst so ähnlichen und dann so vielfältigen Anliegen der neuen Nachbarinnen und Nachbarn angenommen.
Seit März 2016 begleite ich viele Ehrenamtler, die mit Blick auf das Thema der Aufnahme, Unterbringung und Integration zugewanderter Menschen in der Nachbarschaft ihre Zeit, Kompetenz und Motivation einbringen. Arbeitsbereiche waren und sind Sachspendenorganisation, Sprachförderung, Wohnraumsuche, Lebenslauftraining, Einstieg in den Arbeitsmarkt begleiten, Selbstwirksamkeit stärken, Unterstützung im Asylverfahren, bei der Schulanmeldung, den Hausaufgaben, bei Konflikten untereinander, Organisation und Sicherstellung des Cafe Contacts, Begleitungen zu Terminen bei Ärzten, Behörden und Rechtsanwälten, Patenschaften und das so wichtige Zuhören und nach unkomplizierten Lösungen und Anlaufstellen suchen/Brücken bauen im Café Contact.
Die Flüchtlingshilfe ist mittlerweile komplexer geworden. Schon lange geht es nicht mehr um Erstversorgung und Starthilfe. Jetzt geht es vor allen Dingen um Integrationsarbeit. Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlichster Orientierung, mit ganz vielfältigen Persönlichkeiten, Stärken und Schwächen mit unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Situationen und Perspektiven sind zu uns gekommen und werden es vermutlich auch weiterhin.
Themen, die sie beschäftigen sind: Soziale Kontakte knüpfen zu Heimischen, den Lebensunterhalt eigenständig sichern, Einstieg in den Beruf finden, Chancen auf eine Niederlassungserlaubnis, aber auch Rassismus, Depressionen, gesundheitliche Probleme, die Rückkehr ins Herkunftsland, die Chance auf einen Asylantrag überhaupt, einen Schul- oder Kindergartenplatz finden. u.v.m.
Wir bekommen auf politischer Ebene mit, wie mit dem neuen Migrationspaket mehrere Gesetzesvorhaben zu Asylrecht, Abschiebung und Einwanderung in Kraft treten. Mit diesen Veränderungen werden wir und die Menschen, die wir betreuen, vor ganz neue Herausforderungen gestellt, im Hinblick auf ihre Zukunft, Hoffnungen und Wünsche.
Uns bewegt, dass die Abschiebepraxis rigide ist und an den Stellen, wo Menschen innerhalb von wenigen Stunden ins Flugzeug gesetzt und in ihr Herkunftsland geflogen werden, ihr Kampf um ein Leben in Sicherheit verloren geht und manchmal auch Familien dadurch auseinandergerissen werden.
Uns bewegt die Situation von Kindern und Jugendlichen in der ZUE Muffendorf. Die Kinder unterliegen keiner Schulpflicht und müssen enorme Unterbrechungen in ihren Lernbiographien aushalten.
Uns bewegt, dass viele große Familien immer noch keine Wohnungen oder Kindergartenplätze gefunden haben, in Übergangsunterkünften wohnen und Frauen und Mütter erhebliche Erschwernisse bei ihrer Integration und Gleichstellung aushalten müssen.
Flüchtlingsarbeit ist nach wie vor ein vielschichtiges und dynamisches Arbeitsfeld. Wir haben erlebt, dass das was wir Integration nennen funktionieren, aber auch sehr schwierig sein kann. Manchen fällt es leicht, Andere kommen einfach nicht weiter im System. Gründe dafür sind vielfältig und manchmal braucht es ganz viel Vertrauen, Zeit und einen möglichst neutralen Ort, um solche Gründe zu erkennen und die ein oder andere Wahrnehmung dekonstruieren zu können. Dabei sind wir nicht immer erfolgreich, aber am Ball. Kirchengemeinde und Ehrenamt bieten Raum und Zeit für Unterstützung, an den Bedürfnissen orientiert, ohne Sanktionen und Druck, Menschen hören einander zu, zeigen Mitgefühl und Solidarität auch dann, wenn das Problem dem Kampf gegen eine Windmühle gleicht. Der Mensch steht im Mittelpunkt mit all seinen Sorgen und Ängsten, aber auch Stärken. Kirchengemeinde und ganz besonders die Ehrenamtlichen bleiben an den Stellen relevant an denen es eine kommunale oder Einrichtung der Bezirksregierung nicht vermag für Menschen da zu sein, weil Zeit, Vertrauen und gelebte Nächstenliebe fehlen.
In den Cafés sind über die letzten vier Jahre tolle Erfolgsgeschichten geschrieben worden. Die ersten sind in Lohn und Brot, verwirklichen sich als Künstler_innen oder in der Lokalpolitik, Asylverfahren sind endlich durchgestanden, tolle Deutschkenntnisse vorhanden. Es sind auch Freundschaften über die Jahre gewachsen, Ehrenamtliche haben sich auf bestimmte Arbeitsfelder spezialisiert und können so ihre Fähigkeiten nachhaltig einbringen. Die Unterstützerkreise bleiben dran ihre Arbeit zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern und an die Rahmenbedingungen anzupassen. Für die Zukunft braucht es neue Ideen, Themen und Kooperationen. Angebote, die nicht mehr so gut laufen müssen reflektiert und anders aufgestellt werden. Andere Angebote haben Potenzial sich von der Hilfe für Geflohene hin zu niedrigschwelliger diakonischer Arbeit für alle zu entwickeln. Die Interkation mit Geflüchteten selbst muss besser strukturiert und so das Gefühl für soziale Teilhabe und Verantwortung entwickelt werden, auch in den Unterkünften. Die emotionale Debatte zum Thema Integration/Flüchtlinge ist in den Medien leiser geworden. Das bedeutet, dass gerade jetzt konkreten Projekten wie dem des Cafe Contacts mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, damit das damit einhergehende Engagement nicht ungesehen und ohne Unterstützung bleibt. Auch auf lange Sicht braucht die Arbeit hauptamtliche Vernetzung und die aktive Unterstützung und den Rückhalt durch die Presbyterien und den Kirchenkreis.
Mir persönlich ist die Flüchtlingsarbeit mit all den Menschen darin ans Herz gewachsen. Im Namen des evangelischen Flüchtlingsbeirates möchte ich mich bei allen Mitstreiter_innen herzlich für die Mit- und Zusammenarbeit in den letzten vier Jahren bedanken. Lasst uns zuversichtlich in das Jahr 2020 gehen.
Ihre Jessica Hübner-Fekiri
ACHTUNG ADRESSÄNDERUNG AB NOVEMBER 2019 finden Sie das Flüchtlingsbüro der evangelischen Kirchengemeinden Bad Godesbergs nicht mehr im Axenfeldhaus, sondern in der Godesbergerallee 6-8, 1. Stockwerk (Diakoniezentrum).
Telefonische Erreichbarkeit: 0174-8409194
E-Mail: fluechtlingshilfe@evangelisches-godesberg.de
Web: www.cafecontact-godesberg.de